In den 90er Jahren hatte Spanien einen starken Immobilienboom zu verzeichnen. Viele Spanier, aber auch Investoren aus dem Ausland legten, angelockt durch die niedrigen Zinsen, ihr Geld in spanischen Immobilien an. Der Immobilienmarkt mutierte zu einem profitablen Spekulationsgeschäft. Man tätigte immer neuere Investitionen, zog gigantische Bauprojekte hoch. An der Costa del Sol wurden zigtausende Wohnanlagen errichtet, sodass der gesamte Küstenstreifen von der Breite eines Kilometers zu 80 Prozent verbaut ist. Ramón Fernandéz Durán, Professor an der Universität Don Carlos III in Madrid und Mitglied von Ecologistas en Acción erzählt im Film Let’s Make Money: “Man kann von einer gewaltigen Verstädterung, einem Zement-Tsunami sprechen, der die spanischen Küsten und Inseln überrollt.”
Diese Wohnungen wurden hauptsächlich als Wertanlagen konzipiert, um eine Investitionskette auszulösen. Sie stehen größtenteils leer. Unternehmen, Banken und Immobiliengesellschaften konnten auf diese Weise einen jährlichen Profit von circa 20 Prozent lukrieren. Die Instandhaltung der jährlich 800.000 neu entstehenden und zugleich leeren Wohnungen übernahm der spanische Staat. Vor allem für große ausländische Investitionen wurden sogar in extrem dürren Gebieten hunderte von Siedlungen mit Golfplätzen erbaut, denn Immobilien mit Golfplatz sind viel mehr wert. Eine derartige künstliche Grünverfläche verbraucht allerdings in etwa so viel Wasser wie eine Stadt mit 20.000 Bewohnern.
Frühzeitig warnte die Organisation für wirtschaftliche Entwicklung und Zusammenarbeit, kurz OECD, in ihrem Jahresbericht, dass angesichts der binnen zehn Jahren stattgefundenen Preisverdopplung und sogar -verdreifachung, die Immobilien in Spanien um “rund 30 Prozent aufgebläht” waren. Daraufhin kam es zur Entstehung einer Immobilienblase: Kreditnehmer konnten sich aufgrund sinkender Zinsen mehr Immobilien bei gleichen Ausgaben leisten. Die vermehrte Nachfrage ließ die Immobilienpreise in die Höhe schnellen. Wenn zu diesem Zeitpunkt weder dafür zuständige Aufsichtsgremien eingreifen noch der Markt selbst mit steigenden Kreditkosten gegensteuert, kommt es zu einer Immobilienblase, wie es auch schon bis 2007 in den USA geschehen ist. Die Entwicklung nimmt dabei eine Eigendynamik an, die bei höherer Nachfrage auch stetig steigende Preise rechtfertigt. Ramón Fernandéz Durán resümiert: “Spanien ist eines der Länder der Welt, wo die Immobilienblase sich in den letzten fünf Jahren am intensivsten entwickelt hat.”
Als die Zinsen zu steigen begannen, platzte die Immobilienblase. Plötzlich sahen sich die Investoren einer beträchtlich gesunkenen Nachfrage gegenüber. Durch die Bankenkrise waren Kredite viel schwerer zu bekommen. Danach fielen in Spanien die Preise für Immobilien beinahe um 30 Prozent. APA zufolge gibt es für die rund 1 Million Wohnungen in Spanien keine Interessenten – das Aus für zahlreiche Maklerbüros und Immobilienunternehmen. Die Verschuldung spanischer Firmen soll nach Berechnungen der Bank of America inzwischen 106 Prozent des Bruttoinlandsproduktes erreicht haben. Die spanische Immobilienbranche steht mit circa 300 Milliarden Euro im Minus. Um fast die Hälfte ist der Branchenindex innerhalb eines Jahres abgestürzt.
Davon bleibt die gesamtwirtschaftliche Situation Spaniens nicht unberührt. Auch wenn die spanische Ökonomie im vorhergehenden Jahrzehnt um 3,8 Prozent im Jahr gewachsen war, brachte das Platzen der Immobilienblase sie in eine Schieflage. Ab diesem Zeitpunkt hatte nicht nur die Wirtschaftsleistung jährlich läppische 0,1 Prozent zugelegt, sondern auch die Nachfrage nach anderen Gütern wie neuen PKWs nachgelassen. Insbesondere die Bauwirtschaft, die vor der Krise in etwa ein Fünftel der Gesamtwirtschaftsleistung ausmachte, befindet sich in einem einschneidenden Wandlungsprozess: bis zu einer Million Arbeitsplätze sind bedroht, Massentlassungen und Pleiten gehören zur Tagesordnung dazu. Die Arbeitslosenquote lag im Juli 2008 bei elf Prozent – die höchste in der gesamten EU-Zone.