Ray Dalio: Wie die Wirtschaftsmaschine funktioniert in 30 Minuten


Im Jahr 2013 veröffentlichte Ray Dalio, US-amerikanischer Unternehmer und Hedgefonds-Manager, auf einer eigens dafür eingerichteten Website sowie auf YouTube ein 30-minütiges Video, welches die Funktionsweise der Wirtschaft darstellt. How the Economic Machine Works: In 30 Minutes heißt die Kurzdokumentation im Original, wurde inzwischen unter anderem auch ins Deutsche übersetzt und hat viele Millionen Views. In den letzten 30 Jahren hat diese unkonventionelle Sichtweise der Ökonomie für Ray Dalio hervorragend funktioniert und ihm dabei geholfen die Finanzkrise von 2008 zu prognostizieren.

1×1 der Wirtschaft

Ray Dalio zufolge funktioniert Wirtschaft wie eine simple Maschine, die jedoch von vielen Menschen missverstanden wird. Dies hatte bereits viele unnötige ökonomische Nöte und Probleme zufolge. Trotz ihrer scheinbaren Komplexität, setzt sie sich in Wirklichkeit aus einigen einfachen Teilen und ebensolchen Transaktionen zusammen, die fortwährend und konstant auftreten. Diese Transaktionen werden vor allem von Menschen am Laufen gehalten und machen die drei Hauptkräfte der Wirtschaft aus: das Produktionswachstum, den kurzfristigen und den langfristigen Schuldenzyklus.

Transaktionen

Eine Wirtschaft kann als die Summe der Transaktionen gesehen werden, aus denen sie sich zusammensetzt. Diese sind laut Ray Dalio die essentielle Triebkraft der Wirtschaftsmaschine.

Jedes Mal, wenn wir einen Kauf tätigen, kommt eine Transaktion zustande. Dabei erwirbt der Käufer bei einem Verkäufer für Geld oder auf Kredit Waren, finanzielle Vermögenswerte oder Dienstleistungen. Kredite sind ebenso Geldausgaben, die zusammen mit den Bargeldausgaben die Gesamtausgaben ergeben. Letztere treiben im Endeffekt alle Konjunkturzyklen und Kräfte einer Ökonomie an. Der Preis hingegen ergibt sich, wenn die Ausgaben durch die verkaufte Menge dividiert werden. Wer also Transaktionen versteht, versteht auch die gesamte Wirtschaft.

Ein Markt besteht aus sämtlichen Transaktionen, die für ein bestimmtes Gut zwischen Verkäufern und Käufern abgewickelt werden. Es gibt beispielsweise einen Automarkt, einen Aktienmarkt, einen Weizenmarkt oder etwa einen Markt für Smartphones. Rechnet man die Transaktionen aus allen diesen Märkten zusammen, ergibt sich daraus die Gesamtwirtschaft.

Transaktionen werden selbstverständlich nicht nur von Privatpersonen getätigt, sondern auch von Regierungen, Banken und Unternehmen. Der größte Verkäufer und Käufer ist die Regierung, welche sich aus zwei wichtigen Instanzen zusammensetzt:

  1. der Zentralregierung, die Steuern eintreibt, Geld ausgibt oder investiert
  2. der Zentralbank, die Zinssätze beeinflusst und neues Geld druckt, was ihr die Kontrolle sowohl über die im Umlauf befindliche Geldmenge wie auch den Kredit in der Wirtschaft gibt. Auch wenn es um die Schuldenzyklen – also den Fluss des Kredits – geht, ist sie der Hauptakteur.

Kredite: Die eigentlichen Treiber der Ökonomie

Sie sind der signifikanteste Teil der Wirtschaft und zugleich der wohl am wenigsten verstandene. Neben ihrer hohen Volatilität, machen sie den Großteil der Transaktionen aus. Auf dieselbe Weise, wie Verkäufer und Käufer auf dem Markt Transaktionen tätigen, interagieren auch Kreditnehmer und Kreditgeber miteinander.

In der Regel wollen Kreditgeber mit Hilfe der Zinsen ihr Geld vermehren. Auf der anderen Seite wollen Kreditnehmer eine Anschaffung machen, die sie sich womöglich nicht ohne einen Kredit leisten könnten, beispielsweise ein Auto oder ein Haus. Einige benötigen eine größere Geldmenge, um sie in die Gründung eines Unternehmens zu investieren.

Ein Kredit kommt zustande, wenn der Kreditnehmer ein Versprechen abgibt, den geborgten Betrag inklusive Zinsen zurückzuzahlen und der Kreditgeber diesem Versprechen Glauben schenkt. Prinzipiell werden Kredite dann gerne aufgenommen, wenn die Zinssätze niedrig sind. Sind die Zinssätze hingegen hoch, zahlt sich dies für die Kreditnehmer nicht aus, und es wird seltener auf die Kreditoption zurückgegriffen.

Mit der Gewährung eines Kredits entstehen natürlich auch Schulden, welche für den Kreditgeber einen Vermögenswert darstellen, für den Kreditnehmer dagegen eine Verbindlichkeit. Zahlt der Darlehensnehmer das geliehene Geld zuzüglich Zinsen bis zu einem bestimmten Zeitpunkt zurück, gilt die Transaktion als abgewickelt: die Verbindlichkeit erlischt und der Vermögenswert verschwindet.

Warum aber ist es so wichtig den Kredit zu verstehen, um auch die Funktionsweise unserer Ökonomie zu begreifen? Die Antwort ist simpel: Erhält der Kreditnehmer ein Darlehen, ist es ihm möglich seine Ausgaben zu erhöhen, wodurch auch die Wirtschaft angetrieben wird. Denn die Ausgabe einer Person ist zugleich das Einkommen einer anderen. Je höher diese Ausgabe, desto höher der Verdienst des Gegenübers. Und wenn sich durch die Kreditaufnahme das Einkommen des Kreditnehmers erhöht, sind die Darlehensgeber in der Regel auch gewillt, ein noch höheres Darlehen zu gewähren.

Je höher das Einkommen im Verhältnis zu den Schulden ist, desto eher ist das Potential zur Rückzahlung gegeben. Weitere Vermögenswerte bzw. Sicherheiten, welche ebenso zur Schuldentilgung verwendet werden können, erleichtern die Gewährung eines Kredits. Ein erhöhtes Einkommen führt also zu einer höheren Kreditaufnahme und zugleich auch zu größeren Ausgaben, was wiederum zum erhöhten Einkommen anderer Beteiligter führt. Genau dieses selbstverstärkende Muster ist es, das zum wirtschaftlichen Wachstum führt und für das Auftreten von Schuldenzyklen verantwortlich ist.

Charles Givens

Wissen beseitigt die zwei Feinde des Aufbaus von Wohlstand: Risiko und Angst.

Produktivitätswachstum

Bei einer Transaktion muss das Geben zuerst erfolgen, damit man etwas anderes bekommen kann. Wie viel man bekommt, hängt von der Produktionsmenge wie der investierten Zeit ab. Mit Letzterer steigt ebenfalls unser Erfahrungsschatz, und das angesammelte Wissen führt zur Steigerung des Lebensstandards. Dieser Vorgang wird als Produktivitätswachstum bezeichnet.

Langfristig betrachtet, ist die Steigerung der Produktivität essentiell, doch kurzfristig spielt der Kredit eine wesentlichere Rolle. Dies hat einerseits damit zu tun, dass Produktivität relativ langsam wächst, zum anderen aber auch nur schwachen Schwankungen unterliegt. Aus diesem Grund ist sie kein großer Treiber für kurzfristige ökonomische Schwankungen. Schwankungen entstehen nämlich nur, weil es uns mithilfe von Krediten möglich ist, über das von uns Produzierte hinaus zu konsumieren.

Schuldenzyklen

Ray Dalio hat die gesamte Geschichte der Märkte seit den 1920er Jahren analysiert und konnte dabei das Auftreten zweier Schuldzyklen-Arten feststellen:

  • des kurzfristigen Schuldenzyklus, welcher circa 5 bis 8 Jahre dauert sowie
  • des langfristigen Schuldenzyklus, welcher in etwa eine Dauer von 75 bis 100 Jahren hat.

Die Schwankungen sind für die meisten Menschen zwar spürbar, werden aber zu hautnah erlebt, um als Zyklen wahrgenommen zu werden.

Kurzfristiger Schuldenzyklus

Um besser verdeutlichen zu können, inwiefern Kredite die Ökonomie antreiben, werfen wir doch einmal einen Blick auf eine Wirtschaft ohne Kredit. In dieser ist eine Erhöhung der Ausgaben nur dann möglich, wenn auch das Einkommen erhöht wird. Der einzige Weg zum Wachstum ist also die Steigerung der Produktivität. Derjenige, der das Geld ausgibt, muss produktiver sein, damit das Gegenüber mehr einnehmen kann. Man spricht in diesem Fall von einer Steigerung analog zur Produktivitätswachstumslinie.

Nehmen wir hingegen Kredite auf, entstehen automatisch Zyklen. Denn bei der Aufnahme eines Darlehens werden die Ausgaben zeitlich nach vorne verlagert. Das heißt, wir können zum jeweiligen Zeitpunkt mehr ausgeben als wir eigentlich verdienen. In der Zukunft kehrt sich dies jedoch wieder um: Der Kreditnehmer darf nunmehr weniger ausgeben, damit er das Darlehen zurückzahlen kann. Dies ist der kurzfristige Schuldenzyklus.

Nun macht es aber auch einen signifikanten Unterschied, wozu der Kredit aufgenommen wird. Ray Dalio, Warren Buffet oder etwa Robert Kiyosaki differenzieren hierbei zwischen echten und falschen Vermögenswerten bzw. Assets, die jeweils über den Cash Flow definiert werden.

Legt sich der Kreditnehmer für das geliehene Geld zum Beispiel einen Traktor zu, kann er mehr Getreide ernten und dadurch auch seine Einnahmen steigern. Infolgedessen ist eine rasche Rückzahlung der Kreditschulden möglich, und sein Lebensstandard hat sich verbessert. Wird das  Darlehen hingegen aufgenommen, um einen großen Fernseher zu kaufen, wird dadurch kein zusätzliches Einkommen generiert.

Nimmt nun die wirtschaftliche Aktivität zu, kommt es zur Expansion – die erste Phase des kurzfristigen Schuldenzyklus. Da die Einkommen und Ausgaben schneller wachsen als die Warenproduktion, kommt es zum Anstieg der Preise, was wiederum zur Inflation führt. Die Zentralbank, zu deren Aufgaben es gehört die Preisstabilität zu gewährleisten, steuert diesem Trend entgegen, indem sie die Zinsen erhöht. Dadurch werden Kredite weniger attraktiv und auch die Kosten bereits bestehender Schulden wachsen an. Die Wirtschaft kann wieder etwas abkühlen.

Da die Menschen demzufolge weniger kaufen, die Produktion aber gleichbleibt, beginnen die Preise wieder zu sinken. Es kommt zu einer Deflation bzw. Rezession. Stellt die Inflation kein Problem mehr dar, senkt die Zentralbank wieder die Zinsen, wodurch erneut die Schuldenlast gemindert wird und die Kredite wieder an Attraktivität gewinnen.

Langfristiger Schuldenzyklus

In der Regel endet jeder kurzfristige Schuldenzyklus mit mehr Wachstum, allerdings ebenso mit höheren Schulden als der vorhergehende. Über lange Zeiträume steigen die Schulden jedoch rascher als Einkommen, was einen langfristigen Schuldenzyklus verursacht.

Solange auch die Einkommen sowie der Wert der Vermögenswerte wachsen, bleibt die Schuldenlast überschaubar. Doch ab einem gewissen Punkt beginnen die Schuldenrückzahlungen das Einkommen zu übersteigen, worauf mit Ausgabenkürzungen reagiert wird. Dies ist laut Ray Dalio der Moment, an dem die Wirtschaftsmaschine ins Stottern gerät und eine herannahende Finanzkrise erkennbar wird.

Im nächsten Schritt sinken die Einkommen und damit auch die Kreditwürdigkeit potenzieller Darlehensnehmer, was die Aufnahme neuer Kredite zurückgehen lässt. Weiter ansteigende Schuldenrückzahlungen führen zu noch stärkerer Senkung der Ausgaben. Die Wirtschaft beginnt zu entschulden bzw. ihre Schulden abzubauen, was im Fachjargon als Deleveraging bezeichnet wird. Dieser Prozess wird nicht nur von sinkenden Ausgaben, Einkommen und Vermögenswerten begleitet. Auch der Aktienmarkt stürzt ab, die Banken geraten unter Druck und Kredite verschwinden.

Da die Kreditnehmer aber nichtsdestotrotz verpflichtet sind, die bestehenden Schulden abzuzahlen, verkaufen sie ihre Vermögenswerte, woraufhin der Markt plötzlich mit Vermögenswerten überschwemmt wird. Zugleich erkennen die Kreditgeber, dass die Schuldenlast der Darlehensnehmer mittlerweile zu groß geworden ist und sie diese womöglich nicht mehr zur Gänze zurückzahlen werden können. Da hier die Zinsen zumeist schon den Nullpunkt erreicht haben, müssen andere Wege gefunden werden, um die Schuldenlast zurückzufahren. Dafür gibt es Ray Dalio zufolge vier Optionen:

  • Reduzierungen der Ausgaben durch Regierungen, Unternehmen und Einzelpersonen
  • Schuldenreduktion durch Umstrukturierung bzw. Ausfälle
  • Umverteilung von Reichtum
  • Drucken neuen Geldes durch die Zentralbank

In der modernen Geschichte kamen bei jedem Deleveraging diese vier Lösungsmöglichkeiten zum Einsatz.

Fazit

Zusammenfassend lassen sich aus Ray Dalios Video drei Faustregeln entnehmen, die wir uns im Hinblick auf die Funktionsweise der Wirtschaftsmaschine merken sollten:

  1. Das Einkommenswachstum sollte den Schuldenaufbau immer übersteigen.
  2. Eine Steigerung des Einkommens sollte stets von einer Steigerung der Produktivität begleitet werden.
  3. Auf lange Sicht ist eine Steigerung der Produktivität am gesündesten für die Entwicklung der Wirtschaft.

Mit diesen Informationen appelliert Ray Dalio auch an politische Entscheidungsträger, erhöhtes Augenmerk auf diese Zusammenhänge zu lenken, um zukünftig besser und effektiver mit solchen Herausforderungen umgehen zu können.

 

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